Herzlich Willkommen!

Wie lebt es sich in Buenos Aires? Wir probieren das gerade mal aus. An dieser Stelle wollen wir - für uns und für alle Interessierten - unsere Erlebnisse und Gedanken in Wort und Bild festhalten.

Dienstag, 8. Dezember 2009

Ein Film zum Lachen und nie mehr Vergessen

Juan José Campanellas “El secreto de sus ojos” geht für Argentinien ins Rennen um den Auslandsoscar

Von Max Neufeind

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Jugend, Punk und Künstlerleben

Lena Szankays Fotoausstellung “Zeitgeist Berlin”

Von Nils Witte

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Letzter Tango in Buenos Aires

Der Dokumentarfilm “El último aplauso” von Germán Kral

Von Nils Witte


Dienstag, 13. Oktober 2009

You've got a friend

Am Anfang dachte ich noch, die Menschen kommen mir hier deshalb so
freundlich vor, weil ich sie nicht hundertprozentig verstehe. Oder
weil wir einfach Glück hatten, auf besonders nette Argentinier zu
stoßen. Der Mann am Flughafen, der uns geholfen hat, das richtige Taxi
in die Stadt zu nehmen; der Supermarkt-Verkäufer der uns eine neue
Marmelade schenkte, nachdem wir die frisch gekaufte hatten fallen
lassen. Nach vier Wochen in Buenos Aires weiß ich: Die Argentinier
sind das Volk der Freundlichen. In Deutschland ist die Herzlichkeit
der Südamerikaner ja beinahe schon zum Klischee verkommen, zum
Werkzeug der Selbstgeißelung, das immer dann angesetzt wird, wenn es
aufzuzeigen gilt wie kaltherzig und unfreundlich doch wir Deutschen
sind (hier findet das übrigens niemand). Gerecht wird man der Art, in
der die Menschen im Alltag miteinander umgehen, damit nicht. Selbst
eine Freundin, die schon vor 16 Jahren aus Köln nach Buenos Aires
ausgewandert ist, bestätigt mir, dass sie es heute noch schätzt wie in
dieser Stadt alle an einem Strang ziehen. Man macht sich das Leben
gegenseitig nicht schwerer, sondern einfacher. Auf dem Bild oben bin
ich mit den Galeristen Gachi Prieto und Fernando Entin zu sehen, die
ich auf einer Pressekonferenz kennengelernt habe. Fernando hatte uns
am Abend vorher in seiner Galerie gesehen - Grund genug für ihn uns
anzusprechen. Nach kurzer und lustiger Plauderei entstand dieses Foto
– und danach wurden wir allen anderen befreundeten Galeristen,
Feuilletonisten, Museumsdirektoren und Kunsthändlern so vorgestellt,
als wären wir gute alte Freunde. Ähnliche Dinge erlebe ich hier jeden
Tag. Weil so vieles andere in diesem Land nicht selbstverständlich
ist, nicht reibungslos oder überhaupt nicht funktioniert, halten die
Menschen zusammen. Für mich, eine gute Erfahrung.

Dienstag, 6. Oktober 2009

Vorstadt voller Kultur

Wer auf der Suche nach Ruhe und Abstand von der lärmenden Großstadt
ist, sollte sich in den Tren de la Costa setzen und entlang des Ufers
des Rio de la Plata nach San Isidro fahren. Der pittoreske und
sichtbar reiche Vorort liegt eine halbe Stunde nördlich von der
Innenstadt von Buenos Aires und ist ein echtes Kultur-Schatzkästchen.
Wer zum Beispiel bei "Barrancas" - eine Haltestelle vor der Innenstadt
von San Isidro – aussteigt, findet rechts und links der Gleise einen
Flohmarkt, der unter dem Motto "Alles, was Uroma aus Europa
mitgebracht hat" zu stehen scheint. Als Vintage-Fan kann man hier von
schwarz-weiß Aufnahmen der Einwandererschiffe des frühen 20.
Jahrhunderts über Schmuck und Geschirr bis hin zu Schneiderbüsten und
Schminktischchen Trödel in wirklich gutem Zustand finden. Eine Station
weiter liegt gegenüber des Bahnhofs die Plaza Mitre, wo am Sonntag
Kunsthandwerker aus der Umgebung ihre Produkte verkaufen. Auch hier
gibt es – neben dem üblichen Nippes – schön gearbeitete Wollsachen,
Keramik und Lederwaren.
Wirklich tief eintauchen in die Vergangenheit des Ortes, aber auch des
Landes – vor allem in intellektueller Hinsicht – kann man als Besucher
der Villa Ocampo. Das Haus aus dem Jahr 1891 steht im nördlichen Teil
von San Isidro, wo auch die restlichen Häuser ein unvermutetes Ausmaß
annehmen und privater Wachschutz in den Straßen offenbar alltäglich
ist. Die Villa gehörte der Familie Ocampo und wurde durch Victoria
Ocampo, Kunstmäzenin und Herausgeberin der Kulturzeitschrift "Sur",
berühmt. Im Stil einer Coco Chanel lebte Victoria Ocampo ab etwa 1920
als freie Frau ohne Ehemann in der Villa und versammelte Künstler,
Schriftsteller und Intellektuelle um sich. Zu den Autoren von "Sur"
gehörten unter anderem Jorge Luis Borges und Max Horkheimer – die
Namen auf den Titelseiten der Ausgaben, die in der Villa ausgestellt
sind, lesen sich wie ein Who-is-Who des 20. Jahrhunderts. Sie sind
Zeuge einer Zeit, in der die führenden Köpfe Europas regelmäßig Buenos
Aires besuchten, um sich hier mit südamerikanischen Kollegen
auszutauschen. Die Führung durch die Villa ist vor allem wegen der
original erhaltenen Möbelstücke von Victoria Ocampo interessant, die
die erst 1979 verstorbene Autorin – sie schrieb eine Vielzahl eigener
Bücher - sehr gegenwärtig erscheinen lassen. Im oberen Stockwerk
befinden sich zwei kleine Ausstellungsräume, in denen derzeit Entwürfe
eines Hauses im Stil des funktionalen "Modernismo" zu sehen sind, die
die Architekturlegende Le Corbusier für Victoria Ocampo gezeichnet
hat. Das Haus selbst wurde nie gebaut, aber allein die
handgezeichneten Pläne sind den Besuch der Villa Ocampo wert. Nach dem
Rundgang sollte man aber auf keinen Fall gleich wieder gehen.
Mindestens so sehenswert wie das Haus ist der Garten, der sich am
besten bei Tee und Scons an einem der Tische im Freien genießen lässt.

Samstag, 19. September 2009

Ford Falcon

Zwischen all den Peugeots, Renaults und Volkswagen der neueren
Modellreihen taucht in den Straßen von Buenos Aires ein Wagentyp immer
wieder auf: der Ford Falcon. Auf den ersten Blick ist er nur eine
weitere eher unscheinbare Variante der zahllosen Straßenkreuzer und
Detroitfabrikate, die Südamerikas Avenidas bevölkern. Für die
argentinische Bevölkerung hat der Ford Falcon allerdings eine
besondere Bedeutung.
Der in Argentinien gebaute Ford Falcon (nur 26
der 3.542 Teile wurden aus den USA importiert) wurde während der Zeit
der Militärdiktatur 1976-1983 von den Todesschwadronen der
argentinischen Geheimpolizei genutzt. Regimegegner und Sympathisanten
der Linken wurden in Ford Falcons zu den berüchtigten Befragungen
gebracht, von denen nach Schätzungen der argentinischen
Untersuchungskommission CONADEP (Link: Nunca mas) zirka 30.000 nie
mehr zurückkehrten. So ist für die älteren Argentinier der Anblick
eines Ford Falcon mit dem Schicksal der Desparecidos (in vielen
Ländern Mittel- und Südamerikas übliche Bezeichnung für Menschen, die
von Sicherheitskräften verhaftet oder entführt und anschließend
gefoltert und ermordet wurden) eng verbunden. Bei einigen jüngeren
Argentinier avanciert der Ford Falcon aber zum gefragten Klassiker.
Häufig sieht man junge Männer in restaurierten und getunten Falcons
durch die Straßen der argentinischen Hauptstadt cruisen. Miriam Lewin,
eine 50-jährige Journalisten, die in einem Falcon entführt würde meint
dazu: "Sie sind ein Symbol der Repression. Es verwundert mich schon
sehr, dass es Leute gibt, die sie heute als Oldtimer behandeln. Ich
bekomme immer noch Angst wenn ich einen Ford Falcon sehe."

Donnerstag, 17. September 2009

Erster Regentag in Buenos Aires.

Erster Regentag in Buenos Aires. Statt der sommerlichen Luft der
letzten Tage fährt mir beim aus dem Haus gehen ein kalter Wind ins
Gesicht. Auch unser Concierge hat sich im Eingangsbereich in die
wärmste Ecke verzogen und guckt verdriesslich nach draussen. In der U-
Bahn, die hier Subte heißt, stehen die Menschen dicht an dicht und
starten schweigend in den Tag, die Haare nass vom Nieselregen. An der
Kleidung, Mänteln, Lederjacken und Wollpullovern, sieht man, dass für
die Argentinier der September noch ein Wintermonat ist. Wir erledigen
also schnell die kleinen Aufgaben des Tages, kaufen auf dem Rückweg in
der Subte für 10 Pesos den neuen Film von Pedro Almodovar und
verbringen den Rest des Tages in der Wohnung.